Die AfD am 03.03. um 18.30 Uhr im Lyz? – Stellungnahme Siegener Antifaschist*innen und Feminist*innen

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An dieser Stelle veröffentlichen wir die Stellungnahme von Siegener Antifaschist*innen und Feminist*innen, die sich auf die am Donnerstag den 03. März 2016 ab 18.30 Uhr im Kulturhaus Lyz stattfindende Veranstaltung der sogenannten „Alternative für Deutschland“ bezieht. Die AfD lädt zu einem „Bürgertreffen“ in das Zimmer 204.

Wir unterstützen hiermit ausdrücklich dieses Statement der Antifaschist*innen und Feminist*innen:

Die AfD ist eine Partei, die (wie im Statement richtig beschrieben) „auf Argumentationsmuster und Ideen zurück(greift), die in den vergangenen Jahrzehnten auf der Agenda von nationalistischen und/oder gar offen faschistisch auftretenden Parteien zu finden waren. Diese Positionen und Strömungen vermochte die AfD zunehmend für sich zu vereinnahmen und unter neuem Label zusammenzuführen. Spätestens seit dem Ausscheiden des ehemaligen Parteivorsitzenden Lucke und seiner national orientierten neoliberalen Fraktion aus der AfD rückt die Partei immer weiter vor in den Raum, der zwischen rechtsnationalistischen und faschistischen Argumentationslinien liegt.“

Dafür darf es keinen Raum geben. Auch wir fordern das Kulturhaus Lyz, dessen Verantwortliche und alle weiteren Mitarbeiter*innen dazu auf, sich gegen Rassismus, Sexismus, Unterdrückung und Diskriminierung im Allgemeinen und die AfD im Besonderen zu positionieren. Besteht für die Verantwortlichen die rechtliche Möglichkeit, die Veranstaltung der AfD durch einen Rückzug der Räume zu verhindern, ist dies zu tun!

Keine Räume der AfD und ihren Inhalten! [Arbeitskreis 57]

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STELLUNGNAHME SIEGENER ANTIFASCHIST*INNEN UND FEMINIST*INNEN ZUR VERANSTALTUNG DER AFD IM KULTURHAUS LYZ AM 03.03. 2016

 

Am 03. März 2016 veranstaltet die Partei „Alternative für Deutschland“ im Kulturhaus Lyz in der St. Johannstr. 18 in Raum 204 ein sogenanntes Bürgertreffen mit den Themenschwerpunkten „Wahlkampf in drei Bundesländern“ und „Aktuelle Themen“.

Wir als Feminist*innen und Antifaschist*innen fordern das Kulturhaus Lyz auf, Stellung gegen Rassismus, Antifeminismus und Rechtspopulismus im Allgemeinen und gegen die sogenannte „Alternative für Deutschland“ im Besonderen zu beziehen.

Desweiteren fordern wir das Kulturhaus Lyz und alle weiteren öffentlichen und privaten Räume in Siegen und im Kreis Siegen-Wittgenstein dazu auf, alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um Veranstaltungen der Partei „Alternative für Deutschland“ in Zukunft zu verhindern und somit dieser Partei jeglichen Raum zu nehmen, in dem sie sich darstellen kann.

I. Die Politische Agenda der „Alternative für Deutschland“:

Seit Februar 2013 prägt eine Partei zunehmend den politischen Diskurs in der Bundesrepublik: die selbsternannte „Alternative für Deutschland“ (AfD).

Ausgehend von einem national neoliberalen und rechtskonservativen Standpunkt was die Finanzkrise und die Finanzpolitik innerhalb der Europäischen Union anbelangt, erweiterte die AfD ihre Themenschwerpunkte in den letzten Jahren: Ob Arbeitsmarkt-, Familien-, Umwelt- oder Asylpolitik – in jeden politischen Bereich drang die AfD vor und stellte sich und ihre Forderungen als „Alternative“, als Gegenstandpunkt zu den bestehenden Parteien dar.

Die AfD – alte Inhalte in neuem Gewand:

Dabei sind die Forderungen und Standpunkte der „Alternative für Deutschland“ keineswegs neu oder „alternativ“. Im Gegenteil: Die „Alternative für Deutschland“ greift auf Argumentationsmuster und Ideen zurück, die in den vergangenen Jahrzehnten auf der Agenda von nationalistischen und/oder gar offen faschistisch auftretenden Parteien zu finden waren. Diese Positionen und Strömungen vermochte die AfD zunehmend für sich zu vereinnahmen und unter neuem Label zusammenzuführen. Spätestens seit dem Ausscheiden des ehemaligen Parteivorsitzenden Lucke und seiner national orientierten neoliberalen Fraktion aus der AfD rückt die Partei immer weiter vor in den Raum, der zwischen rechtsnationalistischen und faschistischen Argumentationslinien liegt.

Argumentationsmuster: Das Volk und seine Feinde

In ihrer Argumentation gehen die AfD und die sie nach außen hin vertretenden Personen wie folgt vor: Bestimmte Menschengruppen oder Institutionen werden für gesellschaftliche Sachverhalte oder Widersprüche verantwortlich gemacht. Seien es die „Asylanten“, die „links-grün-versifften Genderfanatiker“, die „Lügenpresse“ oder die „Regierung“: Sie tragen die Schuld am Niedergang Deutschlands. Sind diese erst einmal aus dem Weg geräumt, selbstredend von der AfD selbst, steht dem Glück des Volkes nichts mehr im Weg.

Womit wir bei dem zweiten tragenden Konstrukt der AfD wären: Dem „Volk“. Dieses ist das „deutsche Volk“. Wer diesem angehört, wird auch von der AfD festgelegt. Allgemein zusammengefasst lässt sich feststellen: Das „deutsche Volk“ setzt sich laut AfD primär aus weißen, in Deutschland geborenen, heterosexuellen, leistungsbereiten, christlichen und braven Bürgern zusammen, die zu ihrem Deutschland stehen. Wer dem nicht entspricht, ist zunächst nicht ganz so deutsch. Wie deutsch: Das entscheidet selbstredend das „deutsche Volk“.

„Schaden vom Volk abzuhalten“ bedeutet in dieser Sprache keineswegs, allen Menschen ein Leben in Frieden, Freiheit und Selbstbestimmung zu ermöglichen. „Schaden vom Volk abzuhalten“ bedeutet hauptsächlich, diejenigen auszuschließen, die das von der AfD- herbeihalluzinierte „Volk“ nicht zu sich zählt, die die eben nicht (ganz so) weiß, in Deutschland geboren, heterosexuell, leistungsbereit, christlich und brav sind und den von der AfD zugewiesenen Rollenbildern entsprechen.

Was die AfD ist und was sie macht:

Populistisch. Dekomplexisierend. Menschenverachtend. Als nichts anderes ist dieses Welt- und Menschenbild der AfD zu bezeichnen. Das Welt- und Menschenbild der AfD verneint alle menschlichen Daseinsformen, die von ihm abweichen.

Die AfD selbst bezeichnet sich in dem Moment als „wertkonservativ“, geriert sich zur Hüterin der gesellschaftlichen Werte, die wahlweise durch „political correctness“, „Sozialisten“ oder „sexuelle Umerziehung“ bedroht seien. Entgegnen gesellschaftliche Akteure der AfD, dass die von ihr vertretenen Positionen rassistisch, sexistisch oder nationalistisch seien, wedelt die AfD mit dem Fähnchen der ‚Meinungsfreiheit‘ und der Toleranz‘ – bzw. dem, was sie darunter versteht. Gleichzeitig bezeichnet die AfD alle Akteure, die ihr diese Vorwürfe entgegenbringen, als Angehörige der „Gesinnungsdiktatur“, als intolerant und antidemokratisch.

Dadurch verwischt sie, was tatsächlich intolerant und antidemokratisch ist: Nämlich der von ihr geäußerte Rassismus, die von ihr geforderte Familienpolitik, die von ihr vertretenen Rollen-, Geschlechts- und Familienbilder und die Agenda einer neoliberalen, marktkonservativen und kapitalistischen Wirtschaftsordnung, die bestehende Eigentumsverhältnisse manifestiert und die Schere zwischen arm und reich weiter auseinandertreiben wird.

II. Unser Standpunkt

Wir sind keineswegs beliebig. Uns als Feminist*innen und Antifaschist*innen eint der Anspruch, eine Gesellschaft zu schaffen, in der alle Menschen, ohne Furcht und Unterdrückung, selbstbestimmt leben können.

Menschliche Realitäten und gesellschaftliche Zusammenhänge sind komplex. Wir haben keine abschließende Antwort darauf, wie unsere Gesellschaft in 10, 20 oder 50 Jahren aussehenwird. Wir legen kein Ziel abschließend fest und erklären es zum Paradies auf Erden.

Und gleichzeitig wissen wir sehr wohl, wie, wo und wodurch Menschen im Hier und Jetzt unterdrückt und ausgebeutet werden, wie und wo Menschen ihre Sexualität und ihr Geschlecht aufgrund von Furcht vor Diskriminierung oder Schlimmerem nicht ausleben können. Das sind unsere konkreten Ansatzpunkte, von denen ausgehend wir uns auf den Weg machen in einen Prozess, den jeder Mensch mitgestalten können muss.

III. Vorläufiges Fazit und Forderungen an das Kulturhaus Lyz:

Aufgrund dieses Standpunktes sind wir nicht nur verwundert sondern empört, dass die „Alternative für Deutschland“ in öffentlichen Räumen in Siegen und bundesweit ihre menschenverachtenden und populistischen Positionen oftmals ohne Widerspruch und Widerstand kundtun und verbreiten kann.

Uns ist gleichzeitig bewusst, dass zum jetzigen Zeitpunkt der „Alternative für Deutschland“ durch ihren Parteienstatus gewisse Räumlichkeiten rechtlich zustehen.

Diese wollen wir ihr nehmen! Es gibt kein Recht, Räume für Weltanschauungen und Gedanken einzunehmen, die Menschen ausschließen, unterdrücken, Furcht verursachen.

Dementsprechend fordern wir das Kulturhaus Lyz auf, eindeutig Stellung gegen Rassismus, Sexismus, Diskriminierung und Unterdrückung jeglicher Form im Allgemeinen und der Partei AfD und ihren Inhalten im Besonderen zu beziehen. Sollte es dem Kulturhaus möglich sein, die AfD aus ihren Räumlichkeiten auszuschließen, muss dies geschehen.

Das Kulturhaus Lyz ist eine der tragenden Säulen der gesellschaftlichen Auseinandersetzungen im Siegerland, sei es in Form von Theaterdarbietungen, Kabarett, Filmvorführungen, Diskussionen oder Lesungen. Ein solcher Raum darf der AfD, der von ihr ausgehenden Diskriminierung und Agitation nicht geöffnet werden. Und sei es nur ein noch so kleines Hinterzimmer.

Denn: Für Intoleranz gibt es keine Toleranz! Für Intoleranz darf es keinen Raum geben.

IV. Abschließende Ausführungen zu den Begriffen ‚Politik‘ und ‚Toleranz‘

Die obigen Hinweise, wie AfD und weitere politische Akteure ‚Politik‘ und ‚Toleranz‘ verstehen, möchten wir abschließend genauer ausführen, indem wir auf die Begriffe näher eingehen

Politik als Raum, Prozess und Anspruch

‚Politik‘ ist der Raum, in dem Menschen durch die 1. kritische Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Gegebenheiten 2. gesellschaftliche Handlungsmöglichkeiten erörtern , um 3. Entscheidungen zu treffen, welche 4. darauf abzielen, Gesellschaft derart zu gestalten, dass ein menschliches Dasein ohne Furcht und Unterdrückung zunehmend Realität wird.

Somit ist ‚Politik‘ nicht nur ein Raum sondern auch ein Prozess, der grundsätzlich nicht abgeschlossen wird und immer wieder der kritischen Auseinandersetzung mit sich selbst und den (Lebens-)Realitäten bedarf.

Menschliche Realitäten sind komplex. Gesellschaftliche Zusammenhänge sind komplex. Und immer wieder treten Widersprüche in diesen Realitäten und Zusammenhängen auf, die es aufzulösen gilt – ohne dass wir uns vorgaukeln könnten, dass es jemals zu einer widerspruchsfreien Gesellschaft kommt.

Dabei ist dieser (im vorletzten Absatz angesprochene) Prozess, der die Realität aller Menschen bestimmt und somit für alle Menschen von Bedeutung ist, nicht in eine beliebige Richtung gestaltbar: Die Herbeiführung eines menschlichen Daseins in Furcht und Unterdrückung kann nicht Ziel dieser von allen Menschen zu gestaltenden gesellschaftlichen Auseinandersetzung sein.

Menschliches Dasein ohne Furcht und Unterdrückung muss der zu Grunde liegende Anspruch sein.

Zur Umkehrung der Begriffe Meinungsfreiheit‘ und ‚Toleranz‘:

Oftmals wird der Begriff der ‚Meinungsfreiheit‘ angeführt, mit der Menschen und im weiteren politische Gruppen und Parteien ihre Positionen und Tätigkeiten als legitim darstellen. Es wird eine ‚Toleranz‘ gegenüber diesen eingefordert. Aber kann es eine ‚Toleranz‘ gegenüber Meinungen und Handlungen geben, die bei Menschen Furcht verursachen oder Menschen unterdrücken?

Mitnichten! ‚Toleranz‘ kann keine Rechtfertigung für unterdrückende Meinungen oder Handlungen sein.

Den Begriff von ‚Toleranz‘, den AfD und Konsorten anführen, vermag in einer werte-pluralistischen Gesellschaft großes Unheil anzurichten: So bedingt die von der AfD eingeforderte ‚Toleranz‘ gegenüber ihren hetzerischen Standpunkten im nächsten Schritt eine Intoleranz und im Folgenden eine Unterdrückung von Menschen, die nicht in das Menschen- und Weltbild der AfD passen.

In der heutigen Gesellschaft wird dieser Begriff und dessen Bedeutung viel zu oft in sein Gegenteil verkehrt: Einzelne Menschen, Politische Akteure setzen Ziele und Interessen, die andere Menschen unterdrücken, durch und halten gleichzeitig das Schild der Toleranz und das was sie darunter verstehen vor sich, um sich und ihre Handlungen zu legitimieren. Spätestens in diesem Moment haben diese politischen Akteure jedwede rationale Ebene verlassen und sind einer rationalen Kritik nicht mehr zugänglich.

V. Diesem Begriff von ‚Toleranz‘ gilt es, entgegenzutreten.

Feminist*innen und Antifaschist*innen aus Siegen.

Unterstützer*innen:

Queer@Uni // Arbeitskreis57